Luisa Zürcher, «Helle Räume», 2025
Filzstift auf Folie auf Hellraumprojektor an Atelierwand
Wesen in Kammern. Das Licht ist an. Die Situation erinnert an eine Puppenstube. Oder einen Wohnungsplan, eine Dreizimmerwohnung, künstlerisch belebt statt architektonisch ausformuliert. Tatsächlich beschäftigt Luisa Zürcher gerade, mit wem sie ihre Wohngemeinschaft teilen und wie sie zur passenden Person finden könnte. Es sei ringhörig, die Zimmer eher klein. «Helle Räume» lockt an. Die Wesen haben lange Glieder, und um uns ihnen zu nähern, müssen wir den labyrinthischen Bewegungen folgen. Dann entwickeln sich allmählich Positionen, Konstellationen, Geschichten. Es gibt keine Vorgaben, keinen Text. Die Betrachtenden sind eingeladen zu fantasieren. Hat die Figur oben links gerade einen Rauswurf hinter sich, eine Trennung? Oder spitzt sie einfach ihre Ohren, um in die Nachbarskammer zu lauschen? Was tut die Kopfüberfigur in der rechten, schmalen Kammer? Ein Fingerzeig zum Nachbarwesen? Eine Vaginaluntersuchung, Selbstbefriedigung? Haben die beiden im quadratischen Raum zueinander gefunden, sich wieder versöhnt, oder sind sie noch in Harmonie? Die drei Felder lassen sich in mehreren Richtungen als Comicstrip lesen. Alles ist möglich. Längst hat uns die Künstlerin und Animationsfilmerin in ihre Arbeit involviert, unsere Fabulierlust animiert, die eigenen Erfahrungen schwingen dabei mit.
Luisa Zürcher (*1998) hat an der Hochschule Luzern Animation studiert. Sie möchte mit ihrer Kunst Geschichten erzählen und Stimmungen kreieren, die Menschen auf irgendeine Art und Weise berühren. Das gelingt ihr immer wieder aufs Neue, auf unterschiedliche Art und in wechselnden oder miteinander kombinierten Medien. Jüngst hat sie ihren ersten Animationskurzfilm fertiggestellt. Nun ist sie damit bereits ans Filmfestival Locarno eingeladen. «Ich bin nicht sicher» lässt hautnah ihre Erfahrungen während eines Spitalaufenthalts miterleben. Der Film hat einige Zeit mehr beansprucht als geplant, analog auch der physischen und psychischen Verarbeitung der darin thematisierten Tumorbehandlung.
Luisa Zürcher zeichnet jedes Einzelbild von Hand, arbeitet analog und digitalisiert die Zeichnungen im Nachhinein. Im Fall von «Helle Räume» zeichnet sie auf die zuvor mit drei Feldern maskierte Folie am Hellraumprojektor. Das so hergestellte Bild wird auf die Atelierwand projiziert, wo Spuren von Lika Nüsslis
Arbeiten zu sehen sind. Sie hat den Raum zuvor benutzt und ihrer Tochter überlassen. Nun ist die Wand auch Hausmauer in der Abenddämmerung. Die Lichter gehen an und geben Einblick ins Innere. Es ist diese einfache und unmittelbare, auch tabulose Herangehensweise, mit der Luisa Zürcher und ihre liebenswürdigen Viecher unser Herz erobern. Und die gleichzeitig tiefgründig und mit wachem Geist Alltagssituationen mit all ihren Unzulänglichkeiten reflektiert. Ursula Badrutt