Asi Föcker: «In Effigy Chrom No. 33»
Reflektogramm, 2024
Ist das eine Aquarellmalerei? Die Farbverläufe und das sachte Ausfransen an den Rändern könnten es vermuten lassen. «In Effigy Chrom No. 33», so der
Titel von Asi Föckers Arbeit, die Teil der gleichnamigen fortlaufenden Serie ist, birgt Geheimnisse, Unerklärliches, Wundersames. Tatsächlich handelt es sich um eine fotografische Arbeit. Allerdings ist es keine Fotografie, die durch eine Kamera entstanden ist und eine Situation im herkömmlichen Sinn dokumentiert. Die 1974 geborene Künstlerin, die an der Hochschule Luzern studierte, von 1999 bis 2019 in Berlin lebte und seither in St.Gallen zuhause ist, experimentiert in ihrer meist installativ ephemeren, performativen Arbeit mit Licht, Luft, Bewegung, Raum und Klang. Auch diesem Kunstblatt liegt eine Installation zugrunde: Eine Lichtquelle und ein Reflektor stehen in von der Künstlerin bestimmten Distanzverhältnissen im Raum. Im abgedunkelten Atelier montiert Asi Föcker ein lichtempfindliches Fotopapier an der Wand. Dann dreht sie die Lichtquelle für einen kleineren oder grösseren Sekundenbruchteil an. Der flüchtige Moment, in dem die Lichtfrequenzen über den Reflektor auf die Wand treffen, wird eingefangen. Was das menschliche Auge kaum wahrzunehmen vermag – ein Zucken hinter den Augenlidern – wird zu einem bleibenden, ästhetisch inspirierenden Erlebnis. Jedes «Reflektogramm», wie Asi Föcker die über Reflektionen entstandenen Fotogramme nennt, ist ein Unikat.
«Ich werde bei diesem Vorgehen selbst zur Kamera, bin Blende, verpacke das belichtete Papier blind in die lichtdichte Tüte, um es anschliessend zu entwickeln», fasst Asi Föcker das Vorgehen zusammen. Sie ist auch Regisseurin. Zu Beginn der Beschäftigung mit den Fotogrammen sei es ihr schwergefallen, keinen Einfluss auf die Farbigkeit nehmen zu können. So begann das Experimentieren mit Farbfolien und verschiedenen Reflektoren, auch mit der Distanz zwischen Lichtquelle, Spiegelobjekt und Fotopapier. Anfangs habe sie akribisch notiert, mittlerweile vertraue sie auf ihre Erfahrung. Entsprechend unvorhersehbar bleiben an dieser Schnittstelle von analytischem und intuitivem Vorgehen die Ergebnisse jenes Moments, in dem sich Licht ausbreitet, das Papier berührt und Raum einnimmt. Ausprobieren, Forschen, Entdecken treiben Asi Föcker seit vielen Jahren an, sowohl im visuellen wie im musikalischen Bereich. Neue Versuchsanlagen oder auch nur kleine Verschiebungen wollen ausprobiert werden und haben Einfluss auf das visuelle Ergebnis. Störungen wie der feine helle Strahl, der sich im vorliegenden Kunstblatt von unten rechts quer durch die Farbstreifen zieht, bereichern, überraschen und machen klar, dass Unvorhersehbares dem Augenblick seine Autonomie belässt.
Ursula Badrutt