Juliette Uzor

Juliette Uzor: «Proxy»
Monotypie Kartoffelstempel, Acryl auf Papier DIN A4, 2025

Eigentlich gehöre Zeichnen und Malen seit ihrem Tanzstudium nicht mehr zu ihrer künstlerischen Praxis, beginnt Juliette Uzor das Gespräch. Aber die
Einladung zum Kunstblatt im konsequent in Schwarz-Weiss gehaltenen Kultur-magazin Saiten sei im präzis richtigen Moment gekommen. Gerade begann sie, sich die mit Kartoffelstempeln und Acrylfarben bedruckten Blätter grossformatig vorzustellen – vielleicht sogar als Tapete, ähnlich wie die bearbeiteten Buchillustrationen aus dem 18. Jahrhundert in der Manor Kunstpreis St. Gallen-Ausstellung, die auch Teil der Performance «(ah ah ah)» waren. Juliette Uzor, 1992 geboren und in St.Gallen aufgewachsen, schloss nach dem Bachelor- Studium Kunst und Vermittlung an der Hochschule der Künste in Bern mit dem Master Art Education an der Zürcher Hochschule der Künste ab. Gleichzeitig absolvierte sie in Lausanne an der La Manufacture – Haute école des arts de la scène eine Ausbildung in zeitgenössischem Tanz. Sie ist insbesondere bekannt für ihre Performancearbeit, zu der auch komplexe Choreografien
gehören und die der visuellen Gestaltung ein eigenständiges, reflexives Gewicht verleiht.
Angefangen mit den gestempelten Blumenmotiven habe sie im Zusammenhang mit der Geburtsanzeige für ihr Kind, legt Juliette Uzor offen. Immer deutlicher kristallisiert sich im Nachdenken über ihre aktuelle Situation eine künstlerisch engagierte Haltung heraus. Der Kunstblatt-Titel «Proxy» ist im Sinne von «bevollmächtigt» zu verstehen; die Arbeit bekommt den Status eines stellvertretenden, politischen Statements und bleibt doch ganz Kunst, ganz Performance. «Das Kind ist Teil meiner Arbeit geworden. Die Blumen machen es manifest, gerade weil sie auf den ersten Blick ein nebensächliches Motiv in der Gegenwartskunst sind.»
Die Arbeit mit dem Körper interessiere sie nach wie vor sehr. Auch bei «Proxy». Schwangerschaft, Geburt und der neue Alltag haben ihren Körper und ihre Beziehung zu ihm verändert. «Der Körper ist unberechenbarer, weniger kontrollierbar geworden, gehört nicht mehr mir allein, hat seine eigenen Rhythmen.» Im September 2024 hat Juliette Uzor, im siebten Monat schwanger, im Palazzina in Basel eine Performance mit dem Titel «Duett (hi how are you)» gemacht und dabei erstmals Nacktheit eingesetzt – «nicht als eigentliches
Thema, sondern um den geteilten Körper, den Körper als Arbeitsinstrument sichtbar zu machen.» Es sei ihr auch bewusster geworden, dass sie diesem Körper Sorge tragen müsse und wolle. «Ich möchte experimentieren, mich den Blicken, den Erwartungen (und dem Urteil) des Publikums aussetzen.» So könne sie herausfinden, wie die neue Situation Teil des künstlerischen Schaffens werden kann. Wie vermag ein Kartoffelstempelbild oder ein schwangerer Bauch dem Anspruch von Kunst zu genügen? «Es ist die Realität, es ist ehrlich und in diesem Sinn performativ. Ich möchte zeigen, was Alltagswirklichkeit bedeutet, denn ich bekomme immer mehr den Eindruck, dass sie unmittelbar mit Kunst zu tun hat.» Ursula Badrutt